Gerhard Brüx vor seiner 10 Meter hohen Skulptur, die er 1939 für die Raphaelsklinik in Münster erschuf.
Die Figur wurde im Krieg zerstört.

Ein Schüsterken mit viel Talent

Kirchliche Kunst, Marionettentheater und das Schloffeschusterlied – der Klever Künstler Gerd Brüx war vielseitig begabt und interessiert

Handwerk und Kunst liegen nah zusammen und daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Künstler aus dem Klever Land aus Handwerkerfamilien stammen. Auch Gerhard Brüx (1875-1944) wuchs als Sohn eines Schuhmachers auf. Kleve ist die Stadt der Schüsterkes und ein bronzener Vertreter dieser Gilde erinnert an der Herzogbrücke nicht nur an die Tradition der Schuhmacher, er weist auch auf die Herkunft dieses fast in Vergessenheit geratenen Künstlers hin. Schöpfer des Schüsterkens war jedoch sein 14 Jahre jüngerer Bruder Jupp.

Das Schüsterken zeigt einen Jungen mit einem Paar Stiefel. So waren die beiden Brüder in ihrer Jugend durchaus unterwegs, die vom Vater gefertigten Schuhe zu den Kunden zu bringen.

Ihr späteres Berufsleben schien vorausbestimmt, jedoch sorgte der Klever Historiker und Religionslehrer Dr. Robert Scholten dafür, dass der 19-jährige Schuhmachergehilfe, dessen künstlerisches Talent er erkannt hatte, beim bedeutenden Bildschnitzer Ferdinand Langenberg in Goch in die Lehre gehen konnte. Nach einigen Jahren kunsthandwerklicher Ausbildung in dieser renommierten Werkstatt erhielt Gerd Brüx die Gelegenheit zum Studium an der Akademie der bildenden Künste in München, wo er Schüler des Bildhauers Syrius Eberle war.

Großes Atelier 

Mit 27 Jahren gründete er 1902 in Kleve seine eigene Werkstatt, welche sich zu einem der wichtigsten Ateliers für kirchliche Kunst im Rheinland und in Westfalen entwickelte.

Durch seine Studien in München hob Brüx sich vom althergebrachten Stil ab, sein modernes Atelier war sehr gefragt. Hier beschäftigte er bis zu 30 Mitarbeiter, neben den Bildhauern auch Vergolder, Figuristen, Ornamentiker, Maler und Schreiner.

“Im Puppentheater spielte er auch selbst verfasste Stücke, oft aktuelle Szenen mit lokalem Kolorit“

Zu den bekanntesten Mitarbeitern seiner Werkstatt gehörten Achilles Moortgat, Hubert Daniels, Gerd Matthäi und Josef Kleinschmidt. Wie in großen Werkstätten üblich, beschäftigte sich Brüx nach einiger Zeit vor allem mit dem Entwerfen und Modellieren. Die körperlich schwere Arbeit überließ er seinen Mitarbeitern. Dies führte durchaus zu deren Unmut, da ihre eigene künstlerische Leistung nicht erkennbar wurde. Alle genannten Bildhauer machten sich später selbstständig.

Hauptauftraggeber waren die Kirchen, zahlreiche Altäre für Kirchen am Niederrhein und weit darüber hinaus sind dokumentiert. Während des Ersten Weltkrieges musste Brüx sein Atelier zeitweilig schließen, weil viele Mitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen worden waren, aber danach brachte ihm eben dieser Krieg zahlreiche Aufträge für Ehrenmäler. 1915 schuf er einen Granatenwerker aus Lindenholz, eine 2,60 Meter hohe Figur, den „Eisernen Mann“ – eine von Brüx gestiftete sog. Nagelfigur. Solche „Kriegswahrzeichen“ gab es zu dieser Zeit überall im Land.

Vielseitig begabt

Gerd Brüx war vielseitig interessiert und begabt. Wenn auch sein wesentliches Werk aus der Bildhauerei bestand, so interessierte er sich ebenso für Malerei, Architektur, Literatur und Theater. Aus allen Bereichen sind Werke erhalten geblieben. Er schrieb, wie schon sein Vater Josef, selbst Gedichte.

Ein großer Teil seines Werkes, von Kleinplastiken bis zu monumentalen Skulpturen, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Sein Sohn Walther, der quasi in der Werkstatt aufwuchs und ebenfalls Künstler wurde, zählte das vom Vater geschaffene Marionettentheater zu den bedauerlichsten Verlusten. Mit diesem fast 60 Marionetten umfassenden Theater bespielte Brüx in Kleve ein eigenes Haus, aber er war auch auf Tourneen in Deutschland und Holland sehr erfolgreich unterwegs. Es war ihm besonders ans Herz gewachsen.

„Im Puppentheater spielte er auch selbst verfasste Stücke, oft aktuelle Szenen mit lokalem Kolorit wie das Lied von den Schloffeschustem.“ Das Gedicht ist im Heimatkalender von 1975 abgedruckt, es verdeutlicht die Situation der Kleffsen Schüsterkes zu Beginn der Industrialisierung. Brüx schrieb über die „Blaue-Mondags-Schloffeschüsterkes“, die die neue Entwicklung kommentieren: „Owe neje Krempel es nex teggen ons alde Könst“.

Im gesellschaftlichen Leben in Kleve war Gerd Brüx fest verankert, als Mitglied eines Ortsausschusses zur Vorbereitung des Kaiserbesuches 1909 ebenso wie bei den Bemühungen, den Karneval in Kleve in Gang zu bringen: 1904 gehörte er dem ersten Elferrat an, der bei Bollinger gewählt wurde – eine interessante Parallele zu seinem Bruder Jupp, der später Mitbegründer der Schwanenfunker war.

Ende September 1944 starb Gerd Brüx in Wissel. Sein Grab befindet sich auf dem Klever Friedhof, unauffällig und kaum zu finden, aber nur wenige Schritte entfernt von zahlreichen imposanten Grabmälern aus seiner Werkstatt.

Grabmal des Komponisten Peter Heinrich Thielen auf dem Friedhof von Kranenburg
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File: Grabmal_thielen.JPG, MiraculixHB, 15.09.2007, gemeinfrei

Quellen

Titelbild: privat, erschienen in der NRZ “Der Westen” am 25.10.2014

Text: Wiltrud Schnütgen, erschienen in der NRZ “Der Westen” am 25.10.2014