So sah er aus, der Mann der den Forstgarten bauen ließ: Julius Ernst von Buggenhagen. Die Radierung ist Johann Joseph Neidl zugeschrieben, wurde zwischen 1791/1820 geschaffen und stammt aus der Feste Coburg.
Das neue Heft „Rund um den Schwanenturm“ des Klevischen Vereins ist erschienen und erzählt spannende Geschichten: Vom Wilden Westen, enthaupteten Mädchen und dem neu entdeckten Porträt eines berühmten Klevers.
Julius Ernst von Buggenhagen ist ein Mann, der in Kleve einen langen Titel trägt: als „wirklich geheimer Staats Krieges und dirigierender Minister“ im Dienste der Preußen. Natürlich mit Sitz auf der Schwanenburg, wie es sich im alten Herzogtum gehört. Der Burg, in der auch sein ferner „Vorgänger“ Prinz Johann Moritz von Nassau-Siegen zeitweise residierte. War dieser noch Statthalter, so galt jener als Präsident der Kriegs- und Domänenkammer Kleve. Heute würde man sagen: Buggenhagen war so eine Art Regierungspräsident. Und als solcher trug er nicht nur einen langen Titel. Er wertete das damalige Kurensemble in Kleve, das um die 1741 entdeckte Quelle entstanden war, nochmals deutlich auf. 1777 wurde Buggenhagen Präsident der Kammer, richtete in der Burg jenen sagenumwobenen Antiquitätensaal ein, dessen Fundstücke die Grundlage des heutigen Landesmuseums Bonn werden sollte, schuf den Schlossgarten und vor allem die „Neue Plantage“ am Kurhaus, die heute „Forstgarten“ heißt. Und dass man in Kleve stolz auf ein Arboretum (das ist eine Art Baummuseum) ist, ist auch sein Verdienst: Er zeichnete für die Ausstattung der „Neuen Plantage“ mit exotischen und besonderen Baumgewächsen verantwortlich. 1795 mussten die Preußen den linken Niederrhein abgeben, später auch andere Gebiete am Rhein – Buggenhagen ging zurück nach Berlin.
In Kleve blieb die Erinnerung an den Mann, der die Stadt so prägte, lebendig – allein, es fehlte ein Bild des geheimen Kriegsministers. Historiker Julian Krause setzte sich nach einem Treffen mit seinem Kollegen, den Münsteraner Historiker Bernd Haunfelder, daran, dem Mann ohne Gesicht eine Gesicht zu geben. Haunfelder hatte erzählt, er sei ein entfernter Verwandter von Buggenhagen und bedauere, dass es wohl kein Bildnis vom geheimen Minister gibt. Doch so geheim war er letztlich doch nicht: Denn Krause wurde nach intensiver Suche fündig.
Im neuen Heft „Rund um den Schwanenturm“, das jetzt im Buchhandel ausliegt (40. Jahrgang 2021, heft 44, 4,50 Euro), lüftet er das Geheimnis des geheimen Rates und zeigt ihn. Digitalisierung sei dank, schreibt Krause. Denn die Feste Corburg, aus der das Porträt stammt, hat ihren Bestand online gestellt. Und da ist er dann, der Herr Julius Ernst von Buggenhagen. Etwas barock rundlich im Gesicht ist der Minister, mit der obligatorischen weiße Perücke auf dem Haupt. Der Minister trägt ein helles Tuch im Ausschnitt und einen steifen Mantel ganz nach damaliger Mode, doppelreihig. Zeitgemäß hoch zugeknöpft gibt sich Julius Ernst Buggenhagen.
Doch Krause hat im „Rund um den Schwanenturm“ nicht nur Buggenhagen ein Bild gegeben, er hat auch einen prächtigen Bericht über den „Wilden Westen“ im tiefen Westen der heutigen Republik um 1920 gezeichnet. Seine Quelle: die damalige Zeitung „Clevischer Volksfreund“. Vor hundert Jahren, zitiert Krause den Volksfreund, wurden hier die Polizisten mit Revolvern ausgestattet, zogen Betrügerinnen durchs Land und es geisterte ein Gerücht durch die Stadt, dass herumstreifende Strolche ein Beeren sammelndes Mädchen ermordet und enthauptet hätten. Der Mord bestätigte sich nicht, schreibt der Volksfreund, allenfalls ein Überfall mit einem Messer.
Und doch war Beerensammeln in diesen Tagen in der Donsbrüggener Heide gefährlich: Das Militär übte scharfes Schießen mit dem Karabiner und dem Maschinengewehr – wie Krause einer Bekanntmachung entnimmt. Und dann war da noch ein Niederländer, der mit einer Luftbüchse aus einem nahen Hotel auf Passanten schoss. Er wurde festgenommen. Bleibt noch die Erinnerung an die „Elektrische“, an die man heute gerne romantisch denkt (und nicht nur romantisch, auch verkehrstechnisch vermisst man diesen verlässlichen ÖPNV namens Straßenbahn schmerzlich). 1920 las sich das allerdings genau umgekehrt: Mit der Elektrischen werde ein „Stück Romantik unserer alten Herzogstadt für immer zu Grabe getragen“, hieß es damals. Soweit die lesenswerten „Schlaglichter der Stadtgeschichte“.
Wiltrud Schnütgen, die zusammen mit Julian Krause die Redaktion des Heftes hat, erinnert an das alte Fontainenmeisterhaus im Amphitheater, das im Krieg abbrannte und als Hotel Robbers bekannt war, Helga Ullrich-Scheyda erzählt in einem anderen Kapitel von der „grotesken Einrichtung“ eines Karnevalsmuseums 1938 und Helmut van Bebber erinnert an die Reklamefiguren für Elefanten- und Storch-Kinderschuhe. Bleibt noch ein Blick zurück ins ausgehende Mittelalter: Rainer Hoymann blickt auf den 1458 geborenen Johann II. Herzog von Kleve und Mark, der „Fromme“ genannt. Doch so fromm war der Herzog nicht: Er neigte, aufgewachsen im reichen Burgund, zu Prunksucht und Überheblichkeit. 63 uneheliche Kinder werden ihm zugeschrieben. Johann II. stirbt 1521 – seine Ruhestätte und die seiner Frau Mechthilde ist in der Fürstengruft der Stiftskirche.
Text und Bild (Repro): RP Online, Matthias Grass, 09.06.2021